In zwischenmenschlichen Beziehungen kann es manchmal schwierig sein herauszufinden, was man machen darf oder nicht. In unserem Leben ist es uns allen sicherlich passiert, dass jemand unsere Grenzen überschritten hat oder wir die Grenzen anderer Personen überschritten haben. Je nachdem, wie wir erzogen wurden, sind gewisse Rechte, die wir oder andere Menschen haben, kaum erkennbar: Manchmal nehmen wir an, dass wir selbst gewisse Rechte nicht in Anspruch nehmen dürfen, weil wir uns z. B. selbstverständlich für andere Menschen opfern mussten, um Konflikte mit anderen zu vermeiden. Dabei wurden Rechte verletzt, die wir nicht mehr als unser gutes Recht wahrnehmen können. Andererseits kann es auch passieren, insbesondere wenn man ein starkes Kontrollbedürfnis aufweist, weil man so viele Erfahrungen gemacht hat, in denen man ausgeliefert war, dass man die Rechte anderer Personen verletzt oder vernachlässigt. Es ermöglicht uns, für uns schlimme Gefühle zu regulieren und sich selbst eine innere Sicherheit durch Kontrolle von der Außenwelt zu verschaffen.
Mit diesem Artikel möchte ich ein Arbeitsblatt von Experten (Marylene Cloitre und Kollegen) im Bereich der narrativen Therapie für Menschen mit einer (komplexen) Posttraumatischen Belastungsstörung vorstellen. In meiner therapeutischen Arbeit ist es sehr oft passiert, dass ich Menschen über ihre Rechte in zwischenmenschlichen Beziehungen aufklären musste. Dieses Arbeitsblatt finde ich sehr hilfreich. Ich habe die einzelnen Punkte des Arbeitsblattes aufgelistet und ich werde sie kurz kommentieren. Dieser Artikel ist nicht nur für Menschen mit einer (komplexen) Posttraumatischen Belastungsstörung relevant. Auch jemand, der eine glückliche Kindheit hatte, kann die Erfahrung gemacht haben, dass seine Rechte verletzt worden sind oder er nicht gelernt hat, gewisse Rechte anderer Menschen zu respektieren. Selbstverständlich ist dieses Thema für alle Menschen. Ich muss nicht beim Psychotherapeuten oder beim Psychiater gewesen, um darüber nachzudenken.
Bevor ich mit der Auflistung beginne, möchte ich darauf hinweisen, dass die Rechte, die Sie untenstehend lesen werden, genauso für unsere Mitmenschen gelten. Wenn Sie z. B. das Recht haben, jemandem „nein“ zu sagen, hat die betroffene Person genauso das Recht, Ihnen „nein“ zu sagen. Das Bestehen auf persönliche Rechte kann nicht erfolgen, indem ich die persönlichen Rechte anderer Menschen verletze. An der Stelle kann es passieren, dass Ihr Bestehen auf Ihre Rechte z. B. wie eine Form der Dominanzübung oder Beschämung wahrgenommen wird, was den Boden für weitere Konflikte bereiten könnte. Ebenfalls kann es passieren, dass man mit den Konsequenzen leben muss, auf seine Rechte zu bestehen. Wenn ich z. B. jemandem „nein“ zu einer Bitte sage, kann es passieren, dass die von diesem „nein“ betroffene Person es zwar akzeptiert, aber ihre Haltung zu mir verändert. Ein Mittelweg für jeden Beteiligten in einem Konflikt kann hilfreich sein, damit jeder sich respektiert fühlt.
Was sind meine Rechte in zwischenmenschlichen Beziehungen?
1: Ich darf danach fragen, was ich brauche
Es ist legitim, andere Menschen zu fragen, was wir brauchen. Wir brauchen uns gegenseitig im Alltag, um unser Wohl zu fördern. Auch wenn ich das Recht habe, nach etwas zu fragen, muss es nicht heißen, dass ich meinen Wunsch erfüllt bekommen werde. An der Stelle geht es nur darum, dass niemand uns das Recht nehmen kann, nach etwas zu fragen.
2: Ich darf „nein“ sagen
Nachdem wir gefragt haben, ob wir einen Wunsch erfüllt bekommen dürfen, hat die gefragte Person das Recht, uns „nein“ zu sagen. Es gilt genauso für Sie, dass Sie „nein“ auf die Bitten und Anfragen anderer Menschen sagen dürfen. Die Herausforderung befindet sich darin, dass die Verweigerung, etwas zu tun, auch wenn man es höflich formuliert, schwer für die Aufrechterhaltung der Qualität einer Beziehung sein kann. Zwischenmenschliche Werte können an der Stelle und Zeit könnte nötig sein, um einen Mittelweg für jeden Beteiligten zu finden. Manchmal kann es aber auch zu einer Anpassung vonseiten der anderen Person, denen man „nein“ gesagt hat, führen, was zu einer Wiederherstellung eines Gleichgewichts in der Beziehung beiträgt.
3: Ich darf meine Gefühle fühlen und zum Ausdruck bringen, egal ob es sich um positive oder negative Gefühle handelt
Wenn eine Person keine Bereitschaft aufweist, Ihre Gefühle zu empfangen, heißt es nicht, dass Sie das Recht nicht haben, diese zum Ausdruck zu bringen. Ein Recht ist unabhängig davon, wie eine Person reagiert. Mit den Konsequenzen der Reaktion des anderen auf Ihre Gefühle zu leben ist ein anderes Thema.
4: Ich darf Fehler machen
Fehler gehören zu einem natürlichen Lernprozess im Leben. Fehler ermöglichen uns zu wachsen und besser zu werden. Manchmal ist es nicht möglich zu erkennen, was im Leben für uns richtig ist, ohne schlechte Erfahrungen gemacht zu haben. Das Erkennen von Richtigkeit kann zum Teil nur durch Fehler erfolgen. In meiner Arbeit kann es mir passieren, dass ich mit einem Klienten herausarbeiten muss, was er nicht möchte, um irgendwann zu entdecken, was er will. Der Prozess beruht oft auf negativen Erfahrungen, die manchmal Fehler beinhalten. Es ist allerdings wichtig zu sagen, dass etwas, was sich wie ein Fehler anfühlt, nicht unbedingt einer ist. In unseren Beziehungen entstehen Dynamiken, die problematisch ist. Die Komplexität unseres Zusammenseins macht es manchmal unmöglich, vereinfacht zu sagen, dass ein Verhalten ein Fehler war. Sie dürfen Nachsicht mit sich selbst haben und Lektionen aus negativen Erfahrungen für die Zukunft ziehen. Es ist nicht der Fall, dass, Fehler verboten sind. weil jemand sauer auf ein Verhalten von uns ist.
5: Ich darf eigene Meinungen, Überzeugungen und Werte haben
Schwierig bei diesem Recht ist, dass andere Menschen unsere Meinungen, Überzeugungen und Werte ablehnen dürfen. Man darf Ihnen Ihre Ansichten nicht verbieten, aber sie müssen nicht durch andere angenommen werden. Das Ziel dieses Rechts ist eher, dass es Ihnen klar bleibt, dass eine abgelehnte Meinung von Ihnen trotzdem das Recht hat zu existieren. Ihre Meinung hat trotzdem Gültigkeit und Sie müssen nicht die Meinungen anderer Menschen annehmen, weil man Ihre ablehnt.
6: Ich darf mit Würde und Respekt behandelt werden
Das ist ein sehr schweres Recht zu beschreiben, weil jeder eine Meinung dazu hat, was Würde und Respekt heißt. Bei Menschen mit gewissen psychischen Belastungen kann es passieren, dass sie sich beschämt fühlen, weil man Ihre Meinung ablehnt und dabei erleben Sie die Meinungsverschiedenheit als eine Form von Respektlosigkeit. An dieser Stelle wäre es wichtig, dass Sie sich aufschreiben, was Sie persönlich unter respektvoll und würdevoll verstehen, weil es passieren könnte, dass unsere eigene Vergangenheit uns das Gefühl gibt, respektlos und beschämend behandelt zu werden. Hätten wir eine andere Vergangenheit, hätten wir weder Respektlosigkeit oder Beschämung wahrgenommen. Es kann hilfreich sein, sich in die Absichten der anderen Person, die eine Verletzlichkeit in uns antriggert, hineinzuversetzen. Es könnte passieren, dass Sie entdecken könnten, dass die Verhaltensweisen der anderen Person keine verletzende Eigenschaft aufweisen.
7: Ich darf meine Meinung ändern oder meine Handlungen in eine andere Richtung bringen
Was man gestern gedacht hat, darf revidiert werden. Entscheidungen, die wir in der Vergangenheit getroffen haben, beruhen auf altem Wissen. Es ist absolut berechtigt, seine Meinung zu ändern und anders zu handeln. Das Leben ist in stetiger Bewegung und nichts ist gleichbleibend. Sie sind in stetiger Bewegung und nicht gleichbleibend. Auch wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie im Laufe Ihrer Laufbahn dieselbe Person gewesen sind, haben Sie sich regelmäßig verändert. Es könnte wichtig sein, anderen Menschen mit Klarheit zu erklären, warum Sie Ihre Meinung geändert haben. Ansonsten besteht das Risiko, Unverständnis zu erfahren.
8: Ich darf mich gegen unfaire Behandlung oder Kritik sträuben
Absolut. Es ist nicht, weil man Sie als kritikunfähig oder Mimose bezeichnet, weil sie eine Kritik oder eine unfaire Behandlung ablehnen, dass die andere Person plötzlich Recht hat. Manchmal ist eine Beleidigung eine Methode, Ihren Widerstand gegen die unfaire Behandlung zum Zurückziehen zu bringen, damit Sie sich doch unfair behandeln oder kritisieren lassen.
9: Ich darf erwarten, dass andere ehrlich zu mir sein werden
Wenn wir wissen, wo wir anderen Menschen gegenüber stehen, ist das Leben leichter in der Handhabung, weil man Klarheit in zwischenmenschlichen Beziehungen bekommen kann. Angelogen zu werden schürt Unsicherheiten und Angst. Es ist dann schwierig zu wissen, wie man sein Leben gestalten möchte, wenn man angelogen wird. Klarheit ist hilfreich, um Lebenspläne zu entwerfen und diesen nachzugehen.
10: Ich darf jemandem gegenüber, den ich liebe, verärgert sein
Liebe und Ärger sind zwei getrennte Sachen. Ärger ist ein Gefühl und Liebe ist eine Haltung einer Person gegenüber. Verliebtheit ist ein Gefühl, keine Haltung einer Person gegenüber. Verliebtheit und Ärger sind vergleichbar, weil beide Gefühle sind. Liebe ist viel komplexer als ein Gefühl. Ich darf z. B. jemandem, den ich liebe, sagen, dass ich gerade verärgert bin, weil ich sein Verhalten nicht in Ordnung finde. Dabei betreibe ich keinen Liebesentzug. Liebesentzug sieht ganz anders aus. Klienten mit Traumata haben mir oft erzählt, dass sie als Kind tagelang ignoriert worden sind, weil ein Elternteil eine Verhaltensweise nicht gemocht hat. Das ist emotionaler Missbrauch, das ist schlimm und für mich entsetzlich. Wenn ich meinen Ärger zum Ausdruck bringe, bin ich am Kommunizieren. Ein Ziel des Ausdrucks von Ärger ist, dass Harmonie erneut herrscht, nachdem wir den Konflikt gelöst haben.
11: Ich darf sagen, dass ich etwas nicht weiß
Kleine Kinder wissen sehr wenig über die Welt und deren Zusammenhänge. Als Erwachsene wissen wir weiterhin wenig, aber ein bisschen mehr. Würde es dieses Recht nicht geben, wäre es leider normal, kleine Kinder anzuschnauzen. Dabei würden sie die Neugier verlieren, die Welt entdecken zu wollen. Das klingt unsinnig, nicht wahr? In vielen Situationen ist es sogar besser einzugestehen, dass wir etwas nicht wissen. Diese Ehrlichkeit kann vielen Menschen helfen, Probleme zu lösen (siehe Unterpunkt 9).
12: Ich darf mit anderen Menschen verhandeln, dass ich Veränderung in unserer Beziehung erleben möchte
Eine Verhandlung heißt allerdings nicht, dass man das bekommt, was man sich wünscht. Eine Haltung der erlernten Hilflosigkeit einzunehmen und nicht zu probieren, Veränderungswünsche zu äußern, kann Beziehungen erschweren. Es ist besser, meinem Gegenüber einen Vertrauensvorschuss zu geben und zumindest sehen, wie er auf meine Wünsche reagiert. Menschen müssen nicht Ihre Gedanken und Wünschen vorausschauend erahnen (siehe Unterpunkt 18).
13: Ich darf in einer missbrauchsfreien und misshandlungsfreien Umgebung leben
An der Stelle gibt es für mich nichts zu ergänzen. Ein missbrauch- und misshandlungsfreies Leben soll die Normalität sein und bitte wehren Sie sich oder holen Sie sich die benötigte Hilfe, um sich im einem akzeptablen rechtlichen Rahmen wehren zu können.
14: Ich darf um Hilfe oder emotionale Unterstützung bitten
Leider kann es passieren, dass eine Bitte abgelehnt wird. Das ist das Recht der anderen Person, Ihnen „nein“ zu sagen. Die Äußerung einer Bitte ist definitiv legitim und Sie sind kein Egoist, weil sie eine Äußerung gemacht haben. Das wäre eine unfaire Kritik. Die Person, die Sie als Egoist bezeichnet hat, hat sicherlich in anderen Situationen etwas von Ihnen verlangt. Jeder möchte seine Bedürfnisse erfüllt bekommen. Eine Beleidigung im Sinne der Äußerung eines egoistischen Verhaltens mag auch eine Methode sein, damit Sie Ihre Bitte zurückziehen.
15: Ich darf das Bedürfnis haben, Zeit mit mir alleine zu verbringen, auch wenn die anderen sich wünschen würden, dass ich Zeit mit ihnen verbringe
Sollte man Ihnen ein schlechtes Gewissen einreden wollen, weil eine andere Person Zeit mit Ihnen verbringen möchte, haben Sie trotzdem das Recht, Zeit für sich selbst nehmen zu wollen. Die andere Person darf eine Bitte äußern und zugleich dürfen Sie sich auch gegen das Einreden eines schlechten Gewissens wehren. Die Person hätte das Recht, ihre Gefühle zu äußern (z. B. traurig sein), dass Sie Zeit alleine verbringen wollen, aber Manipulationstaktiken wie das Einreden eines schlechten Gewissens darf abgelehnt werden. Es besteht die Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt etwas Gemeinsames zu unternehmen, nachdem Sie Zeit alleine verbracht haben. Wenn Sie wiederum jedes Mal auf Ihr Recht bestehen, Zeit alleine zu verbringen, wird es dann schwierig, eine gute Beziehung aufrechtzuerhalten.
16: Ich habe das Recht, mich nicht rechtfertigen zu müssen
Auch wenn das richtig ist, kann es schwierig werden, gar keine Erklärung zu geben, wenn es sich um wichtige gemeinsame Entscheidungen für den Zusammenhalt in der Familie und in Beziehungen handelt. Wenn ich Menschen nichts sage, können Sie sich ausgeschlossen fühlen und den Eindruck bekommen, dass sie nicht vertrauenswürdig sind, um Zugang zu ihren Gründen zu erhalten.
Es ist hier wichtig zu wissen, was der Unterschied zwischen „erklären“ und „rechtfertigen“ ist. Eine Rechtfertigung ist eine Art und Weise, jemandem beweisen zu wollen, dass unsere Entscheidung ernst genommen werden darf. Dabei wird versucht, die andere Person zu besänftigen, damit sie nicht sauer wird. An dieser Stelle gibt man sehr langwierige Begründungen an, um unsere Entscheidungen als richtig zu beweisen, als ob wir dazu nicht stehen könnten, was wir gemacht haben. Dabei geben wir der anderen Person sehr viel Macht über uns, weil wir den Segen der anderen Person bekommen wollen, um sich wohl mit unserer Entscheidung zu fühlen. Die Verantwortung für eine Entscheidung legt fast immer bei uns, auch wenn viele Außeneinflüsse vorhanden sein können.
Eine Erklärung ist kürzer und verlangt nicht nach dem Segen der anderen Person. Wir legen unsere Gründe offen und ehrlich und wir stehen dazu, dass wir diese Entscheidung getroffen haben. Dabei kann die Person verstehen, warum wir so handeln und wir muten unsere Ehrlichkeit, Ziele und Wünsche der Person zu.
17: Ich habe das Recht, die Verantwortung für Verhaltensweisen, Gefühle oder Probleme anderer Menschen nicht zu übernehmen
Mit diesem Punkt habe ich länger gehadert, wie ich ihn beschreiben könnte. Ich versuche, es relativ einfach zu halten: Unser Verhalten löst etwas in anderen Menschen aus. Es wäre leicht, uns zu sagen, dass wir die Schuld für die Reaktion des anderen tragen. Allerdings ist es so, dass 100 Menschen 100 verschiedene Reaktionen auf unser Verhalten zeigen können. Wenn ich z. B. jemandem nicht begrüße, weil ich in meinen Gedanken verloren war, könnte die Person gekränkt reagieren. Andere Menschen würden sich einfach sagen: „es kann passieren, dass jemand mich übersieht. Es ist völlig okay. Ich begrüße sie einfach und werde sehen, ob etwas dahinter steckt.“ Im Leben können wir für Dinge verantwortlich gemacht werden, bei denen es nicht eindeutig ist, wer die Verantwortung trägt. Die Komplexität einer Ursache-Wirkungskette in zwischenmenschlichen Beziehungen kann sehr komplex werden. Es gibt Menschen, die versuchen, sich das Leben einfach zu machen und schnell Schuldzuweisung zum Ausdruck zu bringen. Es kann uns allen in Überforderungssituationen passieren. Seien Sie bitte ebenfalls vorsichtig damit, weil jeder die Verantwortung für seine Reaktionen auf Ereignisse trägt. Der Philosoph Epiktet kann Ihnen das ganz gut erklären, wenn Sie mehr zu diesem Thema lesen wollen.
18: Ich habe das Recht, die Bedürfnisse und Wünsche einer anderen Person nicht vorausschauend durchschauen zu müssen
Möchte ein Mensch von Ihnen etwas bekommen, sollte die Person es sagen. Auch wenn Sie ein Talent dafür haben, die Bedürfnisse anderer Personen zu erahnen, übernehmen Sie die Verantwortung für ihre Gefühle und Probleme, wenn Sie versuchen, diese Bedürfnisse erahnend zu befriedigen. Sollte jemand Sie anschnauzen, weil die andere Person Angst hat, Ihre Bedürfnisse zu äußern, ist es einfach nicht in Ordnung. Manchmal darf es einfach sein und wir dürfen die Meinung vertreten, dass solche Verhaltensweisen unerwünscht sind.
Wenn ich aus Liebe eine Freundin oder einen Partner überraschen möchte, ist es etwas ganz anderes, als wenn ich aus Angst vor Anschiss Bedürfnisse und Wünsche vorausschauend erfülle. Das Zweite setzt voraus, dass der andere das Recht hat, mich schlecht zu behandeln, sollte ich meine Kristallkugel nicht richtig einsetzen. Das Erste ist ein Zeichen von Liebe und es kommt vom Herzen.
19: Ich habe das Recht, mir keine Sorgen für das Wohlwollen anderer Menschen zu machen und mich damit nicht zu beschäftigen
Sie sind nicht verantwortlich für die Probleme anderer Menschen und es gilt genauso für die Sorgen anderer Menschen. Sie haben Ihre eigenen Probleme und Ziele im Leben. Sie haben sicherlich genug an der Backe und das Leben kann hart genug sein. Es ist absolut legitim, sich von den Sorgen anderer Menschen abgrenzen zu wollen. Manchmal können die Sorgen anderer Menschen unseren Alltag in einem negativen Ton verfärben. Wenn die Sorgen anderer Menschen uns zu sehr beschäftigen, kann das die Qualität unserer wichtigen Beziehungen verschlechtern. Sie dürfen sich abgrenzen und sich die Sorgen aussuchen, um welche Sie sich kümmern möchten. Manchmal braucht eine Beziehung Hilfe von einer Drittinstanz (z. B. Berater, Behörden usw.) und diese Drittinstanz müssen Sie nicht sein.
20: Ich habe das Recht, keine Stellungnahme zu einer Situation abzugeben und mich nicht einzumischen
Manchmal kann es hilfreich sein, bewusst darüber zu reflektieren, in welcher Verwobenheit wir uns befinden, um sich davon zu distanzieren. Viele Menschen mit belastenden Vergangenheiten wurden als Kind trianguliert. Das bedeutet, dass sie wegen eines Konflikts zwischen Elternteilen hinzugezogen worden sind, um diesen zu schlichten, obwohl sie die Fähigkeiten dazu gar nicht hatten. Dafür gibt es Menschen (wie z. B. Mediatoren, Therapeuten, Berater oder Familienangehörigen, die genug Distanz zum Konflikt haben), die besser helfen können. In vielen Lebenssituationen ist es absolut legitim und hilfreich für den eigenen Schutz, keine Stellungnahme zum Ausdruck zu bringen. Dabei könnten wir uns für Dinge angreifbar machen, die uns in Wirklichkeit gar nicht betreffen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Literaturverzeichnis
- Cloitre, M., Cohen, L. R., Ortigo, K. M., Jackson, C., & Koenen, K. C. (2020). Treating survivors of childhood abuse and interpersonal trauma: STAIR narrative therapy. Guilford Publications.
- Handbüchlein der Moral von Epiktet. Hier ist ein Link zum Buch: https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/A1071064404